10 Jahre Olivia Jones Bar

»Als wir 2008 die Olivia Jones Bar eröffnet und den Schlager zurück auf die Große Freiheit geholt haben, da haben alle gelacht und gesagt: Viel Glück, in einem Jahr seid ihr pleite«, erinnert sich Olivia Jones. Es kam anders. Sowohl für den Schlager (inzwischen gibt es allein auf der Großen Freiheit drei Schlager-Läden) als auch für die Bar. Die feiert gerade 10-jähriges und hat in der Zwischenzeit sogar »Familienzuwachs« bekommen:

2010 eröffnete direkt gegenüber »Olivias Wilde Jungs«, Deutschlands erste Menstrip-Bar nur für Frauen. »Die Presse hat das als ›Gipfel der Emanzipation‹ gefeiert, obwohl sich Alice Schwarzer das alles wahrscheinlich etwas anders vorgestellt hat. Ich warte immer noch auf ihren Besuch«, gibt sich Olivia zerknirscht.

2012 eröffnete Olivia mit ihrem Team in den ursprünglichen Räumen des legendären Live-Sex-Clubs »Salambo« »Olivias Show Club«. »Damit haben wir ein weiteres Stück Kiez-Geschichte konserviert«, freut sich Olivia – dass ihre kleine Kiez-Bar mal »Keimzelle für Deutschlands buntestes Familienunternehmen« wird, hätte sie sich nie träumen lassen.

Es kam mir immer vor, als wären die letzten 10 Jahre wie im Fluge vergangen. Aber was für eine große Zeitspanne das ist, merkt man, wenn man durchs Familienalbum blättert und sieht, dass einige Gäste und Mitarbeiter schon gar nicht mehr unter uns sind: Nicole Kempf, die mit uns die Bar renoviert, eröffnet und bekannt gemacht hat, der unvergessene Dirk Bach, zuletzt Daniel Küblböck der eigentlich mit uns das Jubiläum feiern sollte – da merkt man, dass 10 Jahre doch eine verdammt lange Zeit sind.

Ein politischer Ort

Bis heute kommen die meisten Gäste eigentlich, um – wie Olivia es nennt – »Urlaub vom Alltag« zu machen. Trotzdem war die Bar auch immer ein politischer Ort:

»2009 hatten wir aus den USA den Boss der Tierrechts-Organisation PeTA zu Gast und haben mit ihm die Bar zur pelzfreien Zone erklärt. Auf das Schild im Eingang werden wir immer noch regelmäßig angesprochen« erinnert sich Olivia.

Zuletzt sorgte die Bar 2017 für politische Schlagzeilen, als Olivia und Familie zum Hamburger G20-Gipfel den umstrittensten Teilnehmern Trump, Putin und Erdogan medienwirksam Hausverbot erteilten. »Viele St. Paulianer haben sich das Schild von unserer Website heruntergeladen und es bei sich in Fenster und Türen gehängt.« So wurde der Kiez kurzerhand zur populisten- und despotenfreien Zone erklärt.

»Aus Solidarität haben sich sogar Kleingärtner aus Bayern beteiligt, die sich das Schild an ihre Lauben geklebt haben«, berichtet Olivia lachend.

Stars und Sternchen

Doch nicht nur die Olivia Jones Bar selbst hat es im Laufe der letzen 10 Jahre zu Bekanntheit gebracht, sondern auch viele ihrer Mitarbeiter:

Darunter Künstler wie Olivias »Travestie-Zwillinge« Barbie Stupid und Lee Jackson, Fanny Funtastic, Veuve Noire, die 2013 für die Bar gecastet und vom NDR als »losestes Mundwerk der Großen Freiheit« gefeiert wird oder Vanity Trash und Samantha Gold, Olivias jüngste Verstärkungen, die regelmäßig in der Bar für Stimmung sorgen. Sogar Kollegen, die hauptsächlich vor der Bar arbeiten, sind mittlerweile immer wieder im TV zu sehen. Allen voran Olivias Kult-Türsteher Dennis und Kitte.

Dank dieses einzigartigen Teams und des großen Interesses ist die Olivia Jones Bar in den letzen 10 Jahren zu einem der wenigen Läden auf dem Kiez geworden, die in der Hauptsaison täglich geöffnet haben und in dem sich auch Promis wie Hella von Sinnen, Johann Lafer oder Natascha Ochsenknecht immer wieder gerne die Klinke in die Hand geben.

Stolz ist Olivia vor allem auf ihr Team und darauf, dass die Bar genau das geworden ist, als was sie immer geplant war: »Ein Ort, an dem sich Menschen begegnen, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären: Bei uns feiern Heten mit Schwulen, stehen Banker mit Punks am Tresen, feiern Wut- mit Mut-Bürgern und Politikern.«

Dass dieser Plan bis heute funktioniert, sieht man auch an der bunten Zusagenliste der Jubiläumsfeier: Nordlichter wie NDR-Urgestein Carlo von Tiedemann, Kiez-Legenden wie Kalle Schwensen, Berliner und Münchner Szene-Gäste wie Micaela Schäfer und Giulia Siegel, Party-Schlager-Experten wie Ikke Hüftgold, dazu Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki und viele weitere Freunde und Weggefährten aus der Nachbarschaft und Republik.

»Das ist die Mischung, die seit 10 Jahren unser Erfolgsrezept ist. Hier am Tresen werden immer noch regelmäßig Geschichten geschrieben, die das Leben wirklich nur hier und nur auf St. Pauli schreiben kann.«

Ein Stück Kiez-Geschichte

Olivias absolute Lieblings-Anekdoten sind die von Udo Lindenberg, der gerne inkognito zum Feiern vorbeischaut und von Fans, die’s gar nicht glauben können, immer für einen Doppelgänger gehalten wird.

Dazu die Geschichte von Hollywoods Burlesque Star Dita von Teese, die sich erst in der Bar Mut antrinken musste, bevor sie sich traute, Olivias Wilden Jungs gegenüber einen Besuch abzustatten.

Und last but not least die Anekdote vom Pastor der benachbarten St. Joseph Kirche, der eines Abends in der Bar stand und darum bat, dass man sich doch »über die Kanäle der Funkmikros abstimmt. Sonst hätte er nebenan im Gottesdienst wieder unsere Mädels auf Sendung mit Sätzen wie ›immer rein in den Puff‹ und ›seid ihr alle geil‹ – das wäre zwar lustig, würde aber nicht ganz so gut zu seinem Programm passen.«

Aus dieser spaßigen Mikrofron-Panne wurde 2017 ernst: Man traf sich, tauschte sich aus – und meldete gemeinsam die Große Freiheit zum bundesweiten »Tag des offenen Denkmals an«. Seitdem zeigen Mitglieder der Olivia Jones Familie mit der katholischen St. Joseph Gemeinde und dem BID Reeperbahn+ am Denkmaltag mit kostenlosen Führungen durch die Große Freiheit, wie gute Nachbarschaft trotz aller Unterschiede gelingen kann.

Blick in die Zukunft

»Hoffentlich bleibt das auch so«, gibt sich Olivia Jones nachdenklich. »Im Moment ist ja vieles im Wandel. Wir haben oft gedacht, unsere Bar wäre ein Irrenhaus – inzwischen sieht’s etwas anders aus: Wir feiern hier täglich den ganz ›normalen‹ Wahnsinn und das Irrenhaus beginnt vor der Tür. Die Welt steht gerade wirklich Kopf und die Realität hat in manchen Fällen jede Satire überholt. Da draußen hat sich echt viel verändert.«

Ganz anders sieht die Welt zum Glück noch in der Bar aus. Dort scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Sogar im Interieur wurde Geschichte konserviert. Es stammt noch zu großen Teilen aus dem ehemaligen »Rasputin«, jener legendären Transen-Bar, in der sogar Ron Wood von den Rolling Stones gefeiert haben soll und Wladimir Putin mehrfach zu Gast gewesen ist. »Wir standen schon ein paar Mal vor der Wahl, alles einfach rauszureißen und neu zu machen. Wäre praktischer und billiger gewesen. Aber das kam für uns nie in Frage. Die Bar ist ein Stück Kiez-Geschichte – und soll es auch bleiben.« gibt sich Olivia kämpferisch.

Die Chancen dafür stehen gut. Der Mietvertrag wurde gerade um 10 Jahre verlängert und in den Etagen über der Bar wurden umfangreichere Renovierungsarbeiten begonnen.

»Die Fenster nutzen wir künftig als XXL-Rahmen für Porträts unserer bunten Familienmitglieder, im ersten Obergeschoss haben wir eine ›Sexpuppenstube‹ für unsere Kieztourgäste eröffnet und darüber zieht im nächsten Jahr mein Fummel-Fundus ein«, erklärt Olivia. »Da können unsere Gäste dann meine verrücktesten Kostüme, Handtaschen und High-Heels besichtigen – vom Fat-Suite bis zum Tintenfisch und Zebra. Wir haben noch genug verrückte Ideen für die nächsten 100 Jahre im Kopf – es wird also garantiert nicht langweilig!«